Deutschland genießt weltweit den Ruf eines Umweltvorreiters – doch beim Thema Elektroschrott hinkt die Bundesrepublik deutlich hinterher. Trotz strenger Recyclingvorschriften sank die Sammelquote für Elektroaltgeräte im Jahr 2023 auf gerade einmal 29,5 % – weit entfernt von den 65 %, die seit 2019 in den WEEE-Richtlinien der EU gefordert werden. Deutschland verstößt damit bereits zum fünften Mal in Folge gegen die WEEE-Richtlinie, weshalb die EU bereits ein EU-Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat. Die Folgen der verfehlten Quote reichen tief: Sie belasten nicht nur die Umwelt, sie verschwenden zudem auch wertvolle Ressourcen.
Elektroschrott: Ein Umweltproblem und eine verschwendete Rohstoffquelle
Elektroschrott – also ausrangierte elektronische Geräte vom Smartphone über den Föhn bis zur Waschmaschine – enthält zahlreiche Schadstoffe wie Quecksilber, Blei oder Cadmium. Werden diese Geräte nicht fachgerecht entsorgt, gelangen die Schadstoffe in Böden und Gewässer – mit Folgen für Umwelt und Gesundheit. Gleichzeitig enthalten viele Altgeräte wertvolle Rohstoffe wie Kupfer, Gold, Silber und Seltene Erden. Werden sie nicht recycelt, müssen diese unter hohem Energieeinsatz neu abgebaut werden – häufig in ökologisch sensiblen Regionen.
Die Lage in Deutschland: Hohes Schrottaufkommen, niedrige Sammelquote
Laut Umweltbundesamt fielen 2022 rund eine Million Tonnen Elektroschrott in Deutschland an – etwa 12,5 Kilogramm pro Kopf. Das liegt deutlich über dem EU-Durchschnitt. Trotzdem betrug die offizielle Sammelquote im gleichen Jahr nur 31,7 %, 2023 sogar nur noch 29,5 %. Damit gehört Deutschland zu den europäischen Schlusslichtern: Platz 22 von 27 EU-Staaten.
Die Kluft zwischen Elektroschrott-Aufkommen und tatsächlicher Rückgabe ist alarmierend – zumal es an Infrastruktur grundsätzlich nicht mangelt. Kommunale Wertstoffhöfe, Recyclingzentren und die Rücknahmepflicht des Handels bieten theoretisch viele Möglichkeiten. Doch die Realität sieht anders aus.
Warum sammeln wir so wenig? Die größten Hürden
Die Ursachen für die niedrige Sammelquote sind vielfältig:
- Bequemlichkeit & Aufwand: Die Abgabe von Altgeräten empfinden viele Verbraucher als umständlich – trotz kostenloser Rückgabemöglichkeiten.
- Horten statt Entsorgen: Millionen Geräte verstauben ungenutzt in Schubladen, Kellern oder Garagen. Laut einer Umfrage der Bitkom bewahren 87 % der Deutschen mindestens ein Altgerät zu Hause auf.
- Illegale Exporte: Ein Teil des Elektroschrotts verschwindet aus offiziellen Kanälen. Schwarze Schafe unter den Entsorgern exportieren Altgeräte ins Ausland – oft unter Missachtung geltender Umweltstandards.
- Fehlendes Wissen: Viele Bürgerinnen und Bürger wissen nicht, dass Elektrogeräte nicht in den Hausmüll gehören – oder sind sich unsicher, wie sie diese korrekt entsorgen können.
Hoffnungsschimmer: Gesetzesänderungen und neue Ansätze
Einige Maßnahmen zeigen erste Wirkung – andere stehen auf der politischen Agenda:
- Rücknahmepflicht für Discounter: Seit Juli 2022 müssen auch Supermärkte und Discounter mit einer Verkaufsfläche über 800 m² Altgeräte zurücknehmen. Das senkt die Hürde für Verbraucher – insbesondere im ländlichen Raum.
- Reparaturboni & Second-Hand-Initiativen: In Berlin und anderen Regionen werden Reparaturen durch staatliche Zuschüsse gefördert. Das verlängert die Nutzungsdauer von Geräten – und reduziert den Schrott.
- Pfandsysteme & Herstellerpflichten: Umweltverbände wie die Deutsche Umwelthilfe fordern eine Art "Elektropfand" auf Kleingeräte sowie eine stärkere Rücknahmepflicht für Hersteller. Auch feste Sammelziele je Verkaufsmenge stehen zur Diskussion.
Was jetzt zu tun ist: Sammeln, informieren, belohnen
Die Lösung liegt nicht allein beim Gesetzgeber. Auch Handel, Entsorgungswirtschaft, Hersteller und nicht zuletzt die Verbraucher sind gefordert. Entscheidend ist:
- Einfachere Rückgabe: Sammelstellen müssen sichtbarer, nutzerfreundlicher und näher am Alltag sein.
- Aufklärungskampagnen: Viele Menschen entsorgen falsch – weil sie es nicht besser wissen. Aufklärung muss sowohl Umwelt- als auch Rohstoffaspekte adressieren.
- Anreizsysteme schaffen: Gutscheine, Rabatte oder Pfandsysteme könnten die Rückgabe von Altgeräten attraktiver machen.
Fazit: Elektroschrott ist kein Abfall – er ist Rohstoff
Elektroschrott ist mehr als ein Umweltproblem – er ist eine Ressource mit großem Potenzial. Doch nur, wenn wir konsequent sammeln, richtig entsorgen und gezielt aufklären. Deutschland kann die Sammelquote steigern – aber nur, wenn alle mitziehen.